Christine Keeler, 1963
Christine Keeler, 1963
Foto von Lewis Morley

Dirk hat dieses Foto das erste mal 1963 im zarten Alter von 14 Jahren (also mitten in der Pubertät) auf dem Titelbild des Magazins Stern gesehen. Seitdem hat es ihn nicht mehr losgelassen. Das war wohl der Grund, warum er es für die Anzeige in Keys 3/1995 zusammen mit Wieland Samolak aus dem Stegreif nachgestellt hat. Das oben stehende Bild wurde dem Photoband "Lewis Morley, photographer of the sixties" (erschienen 1989) entnommen.

Christine Keeler, 57, ehemaliges britisches Callgirl, das in den sechziger Jahren manchem Politiker gehörte, eine Regierungskrise auslöste und einen Minister stürzte, arbeitet an ihrer Autobiografie. Das Buch erscheint beim Verlag Macmillan.
Harold Macmillan hieß der britische Regierungschef, dessen Kabinett durch die Enthüllungen der Dame ins Wanken geriet. Er leitete vor seinem politischen Amt den Verlag. Verlagsinsider verraten über den Inhalt des Werks immerhin so viel: "Es geht nicht einfach nur um Sex. Es wird ein detaillierter Bericht über alles, was damals so los war" - in den Swinging Sixties, als Christine Keeler nicht nur mit dem sowjetischen Attaché in London, Jewgenij Iwanow, schlief, sondern auch mit dem britischen Kriegsminister John Profumo. Der musste 1963 sein Amt niederlegen, nachdem er das Parlament belogen hatte: Er habe keine Affäre mit dem Partygirl gehabt. Für die Ankündigung des Enthüllungswerks Anfang nächsten Jahres nahm die Keeler zu einer Art Erinnerungsfoto Platz. Noch einmal setzte sie sich rittlings auf einen Designer-Stuhl in jener Pose, mit der sie in den sechziger Jahren weltberühmt wurde - nur war sie damals nackt.

Aus: DER SPIEGEL, Ausgabe 39/2000

Dirk Matten ist stolzer Besitzer von 4 Arne Jacobsen Stühlen Modell 3107 (in Holz-Finish). Diese Stühle sind evtl. heute noch lieferbar (nachfragen!).

Geschichten vom Rücksitz

1963 war Christine Keeler Hauptfigur im englischen Profumo-Skandal. Jetzt hat sie ein Buch geschrieben - sie vermarktet es mit kleinen Pikanterien und großen Beschuldigungen

LONDON, 23. Januar 2001. Ein geflügeltes Wort aus den Zeiten des Profumo-Skandals macht in diesen Tagen wieder die Runde: "She would, wouldn t she." Sie würde wohl - nicht wahr? - in der Tat kaum über Anderes schreiben in ihren Memoiren als über sensationelle Enthüllungen zu allerhand politischen und persönlichen Beziehungen, von sexuellen ganz zu schweigen. Sie kann gar nicht anders.

Geheime Abtreibung

Christine Keeler, deren Affäre mit dem damaligen Verteidigungsminister John Profumo 1963 zu dessen Rücktritt und im Jahr darauf zum Scheitern der Regierung Harold Macmillans führte, ist nicht mehr unbedingt Tagesgespräch. Damit Keeler ihre Memoiren, die unter dem Titel "Die Wahrheit, endlich" im Februar in London veröffentlicht werden, Widerhall finden, müssen sie Sprengstoff bieten. Ergo bieten sie ihn, und nicht zu wenig. Bekannt war bislang unter anderem dies: Keeler hatte auf Anweisung ihres Freundes Stephen Ward sowohl mit dem britischen Kriegsminister Profumo als auch mit dem sowjetischen Marineattaché Jewgeni Iwanow geschlafen und stand so plötzlich im Mittelpunkt einer Spionage-Geschichte. Neu sein soll dies: Minister Profumo habe sie, lässt das einstige Callgirl zum Beispiel wissen, bei der letzten gemeinsamen Gelegenheit - auf dem Rücksitz seines Autos - geschwängert; sie habe später illegal und unter Lebensgefahr abgetrieben, ohne dass Profumo je davon erfahren habe. Noch kräftiger ist vielleicht Keelers Aussage, der damalige Generaldirektor der Geheimdienstabwehr MI5, Roger Hollis, sei der legendäre, bis heute nicht entlarvte "fünfte Mann" des Agentenquintetts gewesen, das direkt aus dem englischen Establishment für die Sowjetunion spionierte.

Ausgerechnet Keelers damaliger Vertrauter Ward, der sowohl ihre Affäre mit Profumo als auch ihr Tete-a-tete mit Ivanov eingeleitet habe, schreibt Keeler, habe den berühmten Spionagering organisiert, zu dem sonst noch Anthony Blunt, Kim Philby, Guy Burgess und Donald Maclean gehörten. Ward kann dazu nichts mehr sagen, der Arzt nahm sich vor der vollen Aufklärung der Affäre das Leben. Keeler aber behauptet nun, sie habe Roger Hollis vom MI5 mehrmals bei Ward gesehen, schon in der Zeit vor der Affäre um ihre Affären. Und ja, als gute Britin habe sie diese Geschichte dann etwas später Lord Alfred Denning erzählt, als der von der Regierung beauftragt worden war, dem Profumo-Skandal auf den Grund zu gehen. Denning aber habe ihr nicht geglaubt - oder das Thema vermeiden wollen. Er habe ihr mit Gefängnis gedroht, falls sie reden sollte, wörtlich habe er gesagt, sie werde dann wohl "für sehr lange Zeit verschwinden".

Eine Vertuschungsaffäre also? Anlass für die Briten, den vielleicht eindrucksvollsten Skandal ihrer neuzeitlichen politischen Geschichte noch einmal zu diskutieren? Dieselbe vielleicht gleich auch neu zu schreiben? Nein, sagt Stephen Dorril, Geheimdienst-Spezialist und Co-Autor jenes Buches zum Fall Profumo, das 1988 als Grundlage für den Film "Scandal" diente. Keelers Memoiren seien "Unfug", sagt Dorril; viele der Gestalten, über die sie sich schriftlich hermache, habe sie nie getroffen. Hollis zum Beispiel sei nie in der gemeinsamen Wohnung von Ward und Keeler in London gewesen; Ward und Hollis hätten sich allenfalls über verwandtschaftliche Verbindungen getroffen. Darüber hinaus habe Hollis auch schon mehrfach unter dem Verdacht gestanden, zum Spionagering Philbys zu gehören; mehrere Untersuchungen aber hätten bislang keine Beweise liefern können. Dorril will die Geschichtsschreibung nicht ändern: "Wenn man sich die früheren Aussagen Christine Keelers zum Skandal anschaut, wird klar, dass sie keine Ahnung hatte, was eigentlich vor sich ging."

Ein Eindruck, den die bisher vorabgedruckten Teile ihrer Memoiren nicht nachhaltig entkräften können. Was die Erinnerungen indes nicht weniger spannend macht. Wie rückt sich die inzwischen 57 Jahre alte Frau zum Beispiel den Moment zurecht, an dem sie dem Minister "vorgestellt" wurde? Immerhin war sie gerade nackt dem Swimmingpool des schönen Clivedon House entstiegen, als der hohe Besuch in Sicht- und Staunweite kam. "Stephen Ward hatte mich in der Falle", sagt sie. Und den Minister wohl auch. Obwohl sie "nicht scharf" auf Profumo gewesen sei, habe sie sich auf die Affäre eingelassen.

Erst später sei ihr klar geworden, warum Stephen Ward sie erst mit Ivanov und dann mit Profumo ins Bett geschickt habe. "Stephen kam in mein Schlafzimmer. Ich war noch im Halbschlaf, während er rauchend im Raum auf- und abging. Stephen bat mich völlig offen, Profumo danach zu fragen, wann die Deutschen Atomwaffen bekommen würden. Das war etwas anderes. Das war Informationsbeschaffung. Spionieren."

Beleidigte Familie

Etwas erzählen können hat sie wahrscheinlich weder Jewgeni Ivanov noch Stephen Ward. Die Profumo-Affäre dauerte nur ein paar Wochen; und zurücktreten musste der Minister vor allem deshalb, weil er vor dem Unterhaus bestritten hatte, überhaupt eine Affäre mit jener jungen Dame zu haben. Den heute 85 Jahre alten Profumo, der vor der Affäre als Nachfolger Macmillans gehandelt worden war, ärgern die Memoiren wahrscheinlich gerade deshalb. "Wenn man bedenkt", zitierte der "Daily Telegraph" am Montag einen Freund der Familie, "dass das, was er getan hat, nicht annähernd so schlimm war wie das, was vielen Politikern heute angelastet wird, dann ist es unerhört, dass man ihn nach all diesen Jahren immer noch verfolgt."

ULLSTEIN Christine Keeler im Jahr 1963. Ihren Memoiren hat sie den Titel "Die Wahrheit, endlich" gegeben.

Aus der Berliner Zeitung vom 24.01.2001


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